Angriff mit Ansage

Gewalträume/Schutzräume

Exponatentyp
Foto
Datum
02.10.1990

Angriff mit Ansage

Gewalträume/Schutzräume

Seit dem Frühjahr 1990 existiert in Weimar das besetzte Haus in der Gerberstraße 3. Der in Weimar lebende Fotograf Claus Bach dokumentiert im Eigenauftrag während mehrerer Besuche den Alltag im Haus. Er wird von den Bewohner:innen darauf aufmerksam gemacht, dass am Abend des 2. Oktober 1990 mit einem Angriff rechtsextremer Jugendlicher zu rechnen wäre und gebeten, dies fotografisch festzuhalten. Der Angriff erfolgt am späten Abend in unerwartet hoher Personenzahl. Die Angreifer:innen werfen u.a. Pflastersteine durch die Fenster und hantieren mit Molotow-Cocktails. Die aus den Händen der alkoholisierten Angreifer:innen gleitenden Brandsätze erleuchteten die dunkle Straße vor dem Haus. Claus Bach gelingt es, einen dieser Momente fotografisch festzuhalten. Der Angriff wird schließlich von eintreffender Polizei beendet, die sich aus mehreren Richtungen dem Haus nähert und die Rechtsextremen einkesselt.

Angriff mit Ansage

Fotografie von Claus Bach
„Gerberstraße Weimar“, 2.10.1990, ca. 22:30 Uhr, Angriff von Neonazis auf das besetzte Haus Gerberstraße 3

Zoom

Allgemeine Informationen

Titel: „Gerberstraße Weimar“, 2.10.1990, ca. 22:30 Uhr. Angriff von Neonazis auf das besetzte Haus Gerberstraße 3.

Medienart: Fotografie

Fotograf: Claus Bach

Jahr: 1990

Umfang:1 Fotografie

besitzende Einrichtung: Claus Bach

Empfohlene Zitierweise: Claus Bach: „Gerberstraße Weimar“, 2.10.1990, ca. 22:30 Uhr. Angriff von Neonazis auf das besetzte Haus Gerberstraße 3. Weimar 1990. Abgerufen unter: https://dut-ausstellung.de/source/angriff-mit-ansage/.

Quelle in der digitalen Sammlung der Thulb

Interpretationsvorschläge

Am 3. Oktober 1990 wurden die beiden deutschen Staaten wiedervereint. Der Vorabend dieses neuen Feiertages war gekennzeichnet durch eine Vielzahl von offensichtlich geplanten Gewaltakten. Sie richteten sich gegen Andersdenkende und Andersaussehende, z.B. gegen Migrant:innen und Vertragsarbeiter:innen, gegen Linke und besetzte Häuser, die weder ausreichend durch staatliche Maßnahmen verhindert oder geahndet wurden noch mediale Aufmerksamkeit bekamen. Die Angegriffenen waren größtenteils sich selbst überlassen und erfuhren auch durch die örtliche Bevölkerung kaum Unterstützung.

Quellenkritik

Von den Ereignissen selbst existiert wenig Bildmaterial. Claus Bach gelang in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 im besetzten Haus in der Weimarer Gerberstrasse 3 einer der seltenen Schnappschüsse. Dabei befand er sich selbst in einer höchst gefährlichen Situation, die ihm als Fotografen kaum Handlungsspielraum ließ.

Die vorliegende Fotografie ist zu einem wichtigen Zeugnis der Ereignisse geworden und wird von verschiedenen Akteur:innen immer wieder für die wissenschaftliche und mediale Aufarbeitung in Anspruch genommen. Besonders hervorzuheben ist hierbei das Rechercheprojekt „zweiteroktober90. Die Gewalt der Vereinigung“, das in detaillierter und umfassender Weise das vorhandene Wissen zum Ablauf der Ereignisse online präsentiert und kontextualisiert. Das Projekt recherchiert Quellen und befragt Zeitzeug:innen. Es ist dabei auf die Mithilfe von Bürger:innen angewiesen, deren Erfahrungen sich allerdings bisher nicht im Projekt wiederfinden.

Im Jahr 2021 erschien eine Broschüre mit den Arbeitsergebnissen, deren Cover das von Claus Bach in Weimar aufgenommene Foto zeigt. Ein Bericht zum Rechercheprojekt in der Wochenendausgabe des nd (vormals Neues Deutschland) vom 26./27. September 2020 verwendet Bachs Bild als halbseitigen Abdruck.

In der Ausstellung „An den Rändern taumelt das Glück. Die späte DDR in der Fotografie“ (ACC Galerie Weimar, 4. Dezember 2022 bis 12. Februar 2023) wurde die Fotografie von Claus Bach als ein Aspekt der fotografischen Erzählung der Nachwendezeit präsentiert. Sie ist ebenfalls Teil der gleichnamigen Publikation, die im Januar 2025 erschien.

Die Fotografie reiht sich in Claus Bachs Dokumentation des gesellschaftlichen Lebens der Stadt Weimar ein. Hierbei bekommt das Thema rechtsextremistischer Gewalt in den 1990er Jahren allerdings keinen gesonderten Fokus.

Bildbeschreibung

Das Bild zeigt eine Straßenszene bei Nacht. Im Vordergrund sieht man feuchtes Kopfsteinpflaster. Es wird von brennendem Feuer erhellt. Das Feuer zieht sich etwa kniehoch als Linie vom linken zum rechten Bildrand. Im Hintergrund des Bildes steht eine Reihe junger Männer, die in Bomberjacken und Jeans gekleidet sind. Sie blicken in die Richtung des Fotografen. Ein Jugendlicher steht weiter vorn, direkt hinter der brennenden Linie. Er hält die Arme zur Seite vom Körper weg.