10.11.89-Bez. Erfurt: Reiseregelung Der Verkehr auf der Autobahn Magdeburg - Marienborn wird von Stunde zu Stunde dichter. Trotz zügiger Abfertigung von DDR-Bürgern am Grenzübergang Wartha im Kreis Eisenach kam es zu erheblichem Stau.

Schwellen & Grenzen

Thema
  • Schwellen & Grenzen

Grenzen überschreiten, 
Brücken bauen

Grenzen überschreiten, 
Brücken bauen

Grenzen markieren Trennlinien – sei es geografisch, politisch, sozial oder im Denken. Schwellen hingegen bezeichnen Übergänge: zwischen Räumen, Lebensphasen oder gesellschaftlichen Zuständen. Nicht nur in der DDR und der Transformationszeit lagen beide nah beieinander und konnten schnell ineinander übergehen.

Im November 1989 wurde die innerdeutsche Grenze zu einer Schwelle. Der Systemumbruch eröffnete Möglichkeiten, um gesellschaftliche Positionen, Identitäten und Lebensentwürfe neu auszuhandeln. Doch auch schon vor 1989 war die DDR von Aushandlungsprozessen geprägt: Immer wieder wurden bestehende Grenzen hinterfragt, überschritten und Schwellenräume erprobt – im Privaten wie im Öffentlichen, im Offiziellen wie im Verborgenen.

Auf Durchreise

Serie „Transit“, 1984, Wolf Lützen/Hans Pieler

Wolf Lützen/Hans Pieler, aus der Serie „Transit“, 1984

Weniger im öffentlichen Bewusstsein verankert als die Berliner Mauer, aber ebenso bedeutsam für die deutsch-deutschen Beziehungen waren die innerdeutschen Transitstrecken. In Fahrzeugen und Zügen passierten täglich etliche Menschen die DDR auf ihrem Weg zwischen Westdeutschland und West-Berlin – unter strenger Kontrolle der DDR-Behörden. Die Fotografien von Wolf Lützen und Hans Pieler zeigen die Strecke Hamburg – Berlin als einen ambivalenten Raum: Er steht für Trennung und Verbindung zugleich.

Kein Himmelreich für die Nächstenliebe

Kein Himmelreich für die Nächstenliebe

Sven Tetzlaff, Kein Himmelreich für die Nächstenliebe. In: spurensuchen (1997), S. 20-21

Die „Gotteshütte” der evangelischen Kirche in Dresden bot Hilfe für Menschen, die vom sozialistischen Staat übersehen oder ausgegrenzt wurden: Arbeitslose, Alkoholkranke, Jugendliche in Konflikt mit dem Staat. Trotz staatlicher Repression und Stasi-Überwachung blieb sie ein wichtiger Freiraum. Solche alternativen Räume zeigen, wie innerhalb der Gesellschaft vom Staat gesetzte Grenzen hinterfragt und unterlaufen wurden.

Gedicht „Der Schornsteinfeger“

Lutz Funk, „Der Schornsteinfeger“

Lutz Funk, „Der Schornsteinfeger“, in: Autoren im Volkshaus Jena, 1990

Ein Schornsteinfeger balanciert – und mit ihm die Leserschaft: „da seht / ihr alt aus.“ Nach dem Umbruch entdeckten viele Schreibende Arbeiter das Schreiben neu, spielten mit Sprache und formulierten ihr gewandeltes Selbstverständnis als Autor:in. Dieses Gedicht kann als literarische Selbstermächtigung verstanden werden: Das lyrische Ich erschafft seine Welt, gibt sich als Poet zu erkennen und spielt mit seiner Figur wie auch dem Publikum.

Anekdote „Neuanfang“

Anekdote „Neuanfang“

Erinnerte Erfahrungen ehemaliger Heimatkundelehrer:innen der DDR an die Transformationszeit – Anekdote „Neuanfang“

In der Transformationszeit ergaben sich für Lehrkräfte neue Herausforderungen und Möglichkeiten. Von neu gewonnenen Freiheiten im Unterricht – und der damit verbundenen Verantwortung –, von Schwierigkeiten und Lösungsstrategien berichtet die Anekdote „Neuanfang“. Die Lehrerin reflektiert ihren Wandel zwischen alten Routinen und neuen Möglichkeiten. Ihre Erfahrungen stehen exemplarisch für Orientierungssuche, Erneuerung und berufliches Umdenken in einer Zeit des Umbruchs.

Abbruch, Aufbruch, Lebensbruch? Individuelle Konflikte in einem ,Wendefilm‘

„Lebensbrüche – Gedanken zwischen Bleiben und Gehen“ (Vorschau)

„Lebensbrüche – Gedanken zwischen Bleiben und Gehen“

Gehen oder bleiben? Der Protagonist der DEFA-Dokumentation steht 1990 an einer persönlichen Schwelle: Denn als Umweltingenieur sieht er in seiner ostdeutschen Heimat keine Zukunft mehr. Im Film reflektiert er seine Erfahrungen der ,Wendemonate‘ und entwickelt einen pragmatischen Zugang zur neuen Realität. Für ihn wird der „Lebensbruch“ zum Ende der DDR ein Aufbruch: Er entscheidet sich, den Neuanfang im Westen zu wagen.

Gästebucheintrag in Buchenwald

Gästebucheintrag in Buchenwald, 1990

Eintrag im Besucher:innenbuch der Dauerausstellung in der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald, 11. September 1990. Sammlung Gedenkstätte Buchenwald

Deutungen der Vergangenheit sind nicht nur das Berufsfeld von Historiker:innen, sondern ebenso Gegenstand gesellschaftlicher Debatten und staatlicher Interessen. Die Geschichtspolitik der SED stand nach dem Jahr 1989 zur Diskussion. Beispielhaft zeigt sich dies in den Gästebucheinträgen der Gedenkstätte Buchenwald, in denen Besucher:innen ihre Meinung dazu äußern, ob und wie das Gedenken an die sowjetischen Speziallager gestaltet werden sollte.

Körber-Stiftung in der DDR: Geschichte für die Zukunft

Geschichte für die Zukunft

Körber-Stiftung in der DDR: Geschichte für die Zukunft. In: spurensuchen (1991), S. 31

Im Februar 1991 endete die erste gesamtdeutsche Ausschreibung des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten. Jugendliche aus Ost und West erhielten die Chance, vor Ort auf Spurensuche zu gehen und selbst Geschichte zu erforschen. Besonders für Schüler:innen aus der DDR bot der Wettbewerb die Möglichkeit, sich frei von alten Beschränkungen und starren Deutungsmustern mit Geschichte auseinanderzusetzen und neue Perspektiven zu entdecken.