Körber-Stiftung in der DDR: Geschichte für die Zukunft

Schwellen & Grenzen

Exponatentyp
Presseartikel
Datum
1990
Dauer
02:46 min

Körber-Stiftung in der DDR: Geschichte für die Zukunft

Schwellen & Grenzen

1991 besuchen Willy Brandt und Kurt A. Körber die Stadt Dresden. Dieses Treffen markiert einen wichtigen Moment in der deutsch-deutschen Bildungsgeschichte. Im Zuge der Deutschen Einheit macht die Körber-Stiftung das Format des Geschichtswettbewerbs auch in den neuen Bundesländern bekannt. Viele ostdeutsche Schüler:innen unterstützen das Vorhaben. Sie möchten sich frei von alten Beschränkungen und vorgeschriebenen Deutungen mit der Geschichte auseinandersetzen.

Zur Zeit des Besuches befindet sich das ostdeutsche Schulsystem im Umbruch. Der vorliegende Text dokumentiert die Herausforderung, Bildungsräume neu zu gestalten und junge Menschen zur aktiven Auseinandersetzung mit Geschichte zu ermutigen. Außerdem stellt die Körber-Stiftung neue Schulbücher zur Verfügung.

Geschichte für die Zukunft

Körber-Stiftung in der DDR: Geschichte für die Zukunft. In: spurensuchen (1991), S. 31

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Allgemeine Informationen

Titel: Körber-Stiftung in der DDR: Geschichte für die Zukunft. In: spurensuchen 4 (1990), S. 31.

Medienart: Zeitungsartikel, Dokument

Autor: Körber-Stiftung

Jahr: 1990

Umfang: 1 Seite

Besitzende Einrichtung: Körber-Stiftung

Empfohlene Zitierweise: Körber-Stiftung in der DDR: Geschichte für die Zukunft. In: spurensuchen 4 (1990), S. 31. Abgerufen unter: https://dut-ausstellung.de/source/koerber-stiftung-in-der-ddr-geschichte-fuer-die-zukunft/.

Quelle in der digitalen Sammlung der Thulb

Gesamte Ausgabe der Zeitschrift auf der Seite der Körber-Stiftung: https://koerber-stiftung.de/site/assets/files/42741/spurensuchen_4.pdf

Transkript

Körber­-Stiftung in der DDR: Geschichte für die Zukunft

An Geschichte verdient er nichts: der Hamburger Unternehmer Dr. Kurt A. Körber. Dennoch investiert er Millionen, um das Geschichtsbewußtsein von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Für den engagierten Stifter haben solche Investitionen auch im Vereinigungsprozeß beider deutscher Staaten Priorität.

Bitte schicken Sie uns Informationen. – „Wir möchten mitmachen …“ – „Spurensuche würde sich auch bei uns lohnen …“ – „Können auch wir uns beteiligen?“ Unzählige solcher Briefe und Anfragen gelangten seit Ende letzten Jahres [1989] auf die Schreibtische beim Schülerwettbewerb. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, aber die Absenderangaben ließen aufhorchen: Dresden, Bautzen, Schneeberg, Rostock, Berlin …

Die Hamburger Körber-Stiftung, die seit 17 Jahren den Schülerwettbewerb des Bundespräsidenten organisiert und finanziert, freute sich über das Interesse in der DDR. Informationsmaterialien wurden in alle Teile der Republik verschickt. Kontakte mit Schulen, Institutionen und dem neuen Bildungsministerium wurden geknüpft, Erfahrungen ausgetauscht. Immer deutlicher kristallisierte sich heraus, daß Schüler und Lehrer, Didaktiker und Bildungspolitiker historische Spurensuche als einen Beitrag zur Entwicklung eines neuen, pluralistischen Geschichtsbewußtseins nutzen wollten.

Am 30. April [1990] schließlich konnte der Stifter Kurt A. Körber offiziell bekanntgeben: Der Wettbewerb wird auf die DDR ausgedehnt. Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatte sich bereit erklärt, die Schirmherrschaft auch für die Beteiligung von DDR-Jugendlichen zu übernehmen. Für den engagierten Unternehmer Körber steht dabei die „geistige Investition“, die mit dem Wettbewerb in der DDR verbunden ist, im Vordergrund. Für ihn ist sie „ebenso wichtig wie Maßnahmen zum wirtschaftlichen Aufbau“. Nicht Fertiges aufdrängen, sondern zum eigenen Nachdenken, zur selbständigen Urteilsfindung und zum selbstbewußten Handeln anregen – mit dieser Philosophie hat Dr. Körber durch seine Stiftungsaktivitäten schon seit Jahrzehnten viel in Bewegung gebracht. So z. B. auch mit seinem ältesten Stiftungsprojekt, dem Bergedorfer Gesprächskreis. Dieses seit 1961 bestehende internationale Diskussionsforum zu Kernproblemen der industriellen Gesellschaft hat Wesentliches zur Verständigung über Systemgrenzen hinweg beigetragen.

Über bundesdeutsche Grenzen hinweg einen Namen gemacht hat sich die Stiftung auch mit dem von ihr ausgerichteten Schülerwettbewerb „Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten“. Dieses Engagement im Bereich der historisch-politischen Bildung war es, das Dresdener Geschichtspädagogen veranlaßte, mit der Körber-Stiftung Kontakt aufzunehmen. Den Pädagogen ging es darum, möglichst schnell den politischen Umbruch auch in der Schule zu realisieren. Deshalb hatten sie bereits eine Demokratisierung der Lehrpläne vorangetrieben. Um jedoch ihre Vorstellungen in die Tat umsetzen zu können, fehlte es an Lehrmaterial. Geeignete Geschichtsbücher aus dem Westen hatte eine Fachkommission ausgewählt – doch es fehlte an Devisen. Von der Körber-Stiftung, die seit Jahresbeginn mit einem eigenen Haus in Dresden vertreten ist, erhoffte man Unterstützung. Und die kam schnell und unbürokratisch.

40.000 druckfrische Geschichtsbücher des Bielefelder Cornelsen Verlags übergab Dr. Körber an den Bezirk Dresden, dem er aufgrund seiner persönlichen Geschichte verbunden ist. Zwischen 1935 und 1946 hatte Dr. Körber in Dresden gelebt und gearbeitet. Mit ihrer Soforthilfe ermöglichte die Körber-Stiftung, daß noch vor den Sommerferien in den 645 Schulen des Bezirks von Klasse 7 bis Klasse 12 mit einem neuen Geschichtsunterricht begonnen werden konnte.

Daß Geschichte aber mehr als Schulbuchwissen ist – das können im Osten und Westen nun Kinder und Jugendliche erleben, wenn sie selbst Geschichte vor Ort entdecken. Und ihre Erfahrungen bei der Spurensuche werden kleine Bausteine sein, um eine gemeinsame Zukunft zu gestalten. Denn, so Dr. Körber bei der offiziellen Übergabe der Schulbuchspende, „Nur wer die Vergangenheit versteht, kann die Zukunft meistern.“

Bildunterschrift: Willy Brandt und Kurt A. Körber bei der Schulbuchübergabe in Dresden

Interpretationsvorschläge

Im Frühjahr 1990 wurde der von der Körber-Stiftung ausgerichtete Geschichtswettbewerb erstmals offiziell auf die DDR ausgeweitet. Zahlreiche ostdeutsche Schüler:innen nutzten die Gelegenheit zu einer eigenständigen und unabhängigen Erforschung von Geschichte. Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten ist heute in Deutschland die größte Laienforschungsbewegung.

Weitere Ausstellungskategorien

Bildung

Quellenkritik

Am 30. April verkündete Stifter Kurt A. Körber die Öffnung des Wettbewerbs für ostdeutsche Schüler:innen, der damals unter der Schirmherrschaft des Bundepräsidenten Richard von Weizsäcker stand. Schulen erhielten Informationsmaterial und Kontakte zu Institutionen wurden aufgebaut. Die Ausschreibung war Teil eines breiteren Engagements, historisch-politische Bildung in der DDR während des Umbruchs demokratisch mitzugestalten und war bereits vor der offiziellen Einheit ein bedeutender Schritt zur innerdeutschen Vernetzung im Bildungswesen.