Checkpoint Charlie, Werbeplakat für Büroflächen an einer Hausfassade, davor aufgestellte Kreuze

Träume & Albträume

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Von Erwartungen, Hoffnungen und Ängsten

Von Erwartungen, Hoffnungen und Ängsten

Wo und in welcher Form begegnen uns in historischen Zeugnissen Träume, Wünsche, Hoffnungen, aber auch Enttäuschungen, Ernüchterung und Ohnmacht? Was bedeutet es, von einem besseren Leben zu träumen – und was geschieht, wenn diese Träume zerplatzen oder sich als trügerisch erweisen?

Ob der Traum vom gerechten, solidarischen Arbeiter- und Bauernstaat oder der Wunsch nach einem Leben in Freiheit außerhalb der DDR: In vielen Lebensläufen zeigt sich ein Spannungsfeld zwischen individuellem Streben und staatlicher Realität, zwischen den Träumen des Einzelnen und der staatlichen Utopie. Wie veränderte sich dieses Spannungsfeld in der Transformationszeit seit 1989? Inwiefern ergaben sich neue Möglichkeiten, wurden Träume lebbar? Und inwieweit wurden aufkeimende Hoffnungen wieder enttäuscht?

„Geborgen und gefordert“. Der 40. Jahrestag der DDR wird gefeiert

„Geborgen und gefordert“. Der 40. Jahrestag der DDR wird gefeiert, in: Scheinwerfer (14.03.1989)

Geborgen und gefordert. Scheinwerfer-Serie zu Ehren des 40. Jahrestages der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik

Die DDR – ein Traumstaat? Nicht anders sind die Gedichte des Schreibenden Arbeiters Werner Baumgarten zu begreifen, in denen er noch im März 1989 auf einer Sonderseite den kommenden 40. Jahrestag der DDR feiert. Pathetisch drückt er seine tiefe Dankbarkeit gegenüber der SED aus, lobt die Arbeiterklasse als die treibende Kraft des DDR-Aufbaus, bekennt sich zu den Idealen des Sozialismus – und ruft zum unerschütterlichen Mitgestalten der sozialistischen Gesellschaft auf.

Auszüge aus den Haftakten von Manfred Walter, Antragsbekräftigung

Auszüge aus den Haftakten von Manfred Walter, Antragsbekräftigung

Auszüge aus der Stasi-Akte von Manfred Walter, Haftakten, BArch, MfS, BV Eft AOP 926-89 Bd. 1, geschwärzt, Seite 137

Manfred Walters Traum lag außerhalb der Grenzen der DDR. Innerhalb des Staates sah er weder für sich noch für seine Familie und Freund:innen eine Zukunft. Gemeinsam stellten sie einen Ausreiseantrag, der es ihnen ermöglichen sollte, ihre Vorstellung von einem freien Leben außerhalb der DDR zu verwirklichen. Manfred Walters Beharren auf dem Ausreisewunsch – auch nach der Ablehnung seines Antrags – brachte ihn ins Visier der Staatssicherheit. Sein Traum endete schließlich in einem DDR-Gefängnis.

„Jubiläumswohnungen“ in der DDR: Propaganda für den Traum vom guten Leben

Artikel „Die einmillionste Wohnung wurde an eine Berliner Arbeiterfamilie übergeben“, in: Neues Deutschland v. 7.7.1978, S. 1f.

Die einmillionste Wohnung wurde an eine Berliner Arbeiterfamilie übergeben“, in: Neues Deutschland vom 07.07.1978, S. 1

Medienrummel um die einmillionste Wohnung: Die Zahlen sollten beweisen, dass der sozialistische Traum vom guten Leben Wirklichkeit geworden war. Viele Neubauwohnungen boten echten Fortschritt – mit Innenbad und funktionalem Schnitt. Die Realität aber blieb oft hinter der Verheißung zurück: eintönige Blöcke, schlechte Bauqualität, unfertiges Umfeld. Und doch fanden viele Menschen hier ihre Heimat.

Erinnerungen an Bildungs(um)wege zwischen Sozialismus und Gegenwart

Bildungserinnerungen Schreibaufruf, Nr. 25, Einsendung, Meine Bildungsgeschichte Signatur: Projektarchiv „Bildungs(um)wege“, Sachreibaufruf, Nr. 25

Bildungserinnerungen, Schreibaufruf Nr. 25, „Meine Bildungsgeschichte“, S. 1

Die Aussicht auf berufliche Selbstverwirklichung hing in der DDR nicht allein von schulischen Leistungen ab, sondern war ebenso eng an gesellschaftspolitisches Engagement geknüpft. Viele Jugendliche sahen sich daher gezwungen, schon früh Entscheidungen zu treffen, die mit weitreichenden Konsequenzen verbunden sein konnten. Dabei gerieten sie häufig in einen Zwiespalt zwischen den Erwartungen des Staates und den Werten, die im familiären Umfeld oder im kirchlichen Raum gelebt wurden.

Gedicht „Radfahrn“

Lutz Funk, „Radfahrn“ (1989), Typoskript

Lutz Funk, „Radfahrn“ (1989)

,Sich abstrampeln‘, ,aus dem Rahmen fallen‘, ,unter die Räder kommen‘ – Ende der 1980er Jahre nahmen die Krisenerfahrungen vieler Menschen im Alltag zu. Auch in den Texten der Schreibenden Arbeiter wurde diese Unsicherheit zunehmend literarisch verarbeitet. Das Gedicht „Radfahrn" ist ein Beispiel dafür.

Vom Verschwinden

Serie „Hinter Glas“, 1977–84, Barbara Metselaar Berthold

Barbara Metselaar Berthold, aus der Serie „Hinter Glas“, 1977–84

Von Desillusionierung angesichts gesellschaftlicher Stagnation und vom Verlust des Glaubens an die Erfüllbarkeit persönlicher Träume in der DDR zeugen die Bilder der Serie „Hinter Glas“: Der Blick durch die Fensterscheibe verzerrt die Außenwelt, schafft Distanz und erzählt zugleich melancholisch von einem stillen Rückzug. Diese Fotografien markieren den Endpunkt der künstlerischen Entwicklung Barbara Metselaar Bertholds innerhalb des sozialistischen Staates: 1984 verließ sie die DDR.

Gewalt am Arbeitsplatz: Interview mit Lydia Rabe (Pseudonym)

Eine blonde Frau sitzt im Führerhaus eines Baggers. Das Bild ist verpixelt, die Frau ist nicht zu identifizieren.

Bild-Lydia-Rabe

,Lydia Rabe‘ bei einer Schulung (2001). Privatbesitz

Lydia Rabe erlebte die 1990er Jahre als Zeit tiefer Unsicherheit: Arbeitslosigkeit, prekäre Jobs und demütigende Erfahrungen prägten ihr Leben und ihr Bild vom vereinigten Deutschland. Euphorie empfand sie nach dem Mauerfall nicht. Im Interview beschreibt sie sich mit Blick auf die damalige Zeit als „Sklave“; sie sehnte sich nach der DDR zurück. Ihre Erfahrungen stehen exemplarisch für die weit verbreitete berufliche Unsicherheit, die bis in die späten 2000er Jahre anhielt.