Gedicht „Radfahrn“

Kultur

Exponatentyp
Literatur
Datum
1989
Dauer
00:08 min

Gedicht „Radfahrn“

Kultur

„Radfahrn“ ist ein Gedicht von Lutz Funk (*1958). Es entstand 1989 und blieb unveröffentlicht. Funk ist seit den 1980er Jahren Mitglied im Zirkel Schreibender Arbeiter des VEB Carl Zeiss Jena. Ende der 1980er Jahre veröffentlichen die Zirkelmitglieder nur noch wenige Texte. In der Betriebszeitung Der Scheinwerfer erscheinen vor allem naturverbundene Gedichte sowie politisch unkritische Texte. Doch auch Werke, die eine Krisenwahrnehmung zum Ausdruck bringen, entstehen in dieser Zeit. „Radfahrn“ ist ein Beispiel dafür. Diese Texte bleiben jedoch häufig unveröffentlicht und werden erst nach 1990 zugänglich. Der Zirkel löst sich Anfang 1990 auf formiert sich als Jenaer Autorengruppe neu.

Lutz Funk, „Radfahrn“ (1989), Typoskript

Lutz Funk, „Radfahrn“ (1989)

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Allgemeine Informationen

Titel: Radfahrn

Medienart: Gedicht, unveröffentlichtes Typoskript

Autor: Lutz Funk

Jahr: 1989

Gesamtumfang: 1 Seite

Empfohlene Zitierweise: Lutz Funk: Radfahrn. Unveröffentlichtes Typoskript. Jena 1989. Abgerufen unter: https://dut-ausstellung.de/source/gedicht-radfahrn/.

Quelle in der digitalen Sammlung der Thulb

Transkript

                                      Lutz Funk

Radfahrn

Du strampelst
dich ab.

Auf dem Grat
versuchst du, das

Gleichgewicht
zu halten.

Fällst du
aus dem Rahmen,

kommst du
unter die Räder?

(1989)

Interpretationsvorschläge

Das Gedicht „Radfahrn“ (1989) lässt sich wörtlich als Schilderung und Nachvollzug des Fahrradfahrens lesen. Es betont die Herausforderung dabei, die Balance zu halten. Zugleich aber fordert der Text auch dazu heraus, das Fahrradfahren hier als Metapher für die alltägliche Lebensführung zu lesen, die damit selbst als Herausforderung erscheint. „Radfahrn“ spielt mit verschiedenen Redewendungen (,Abstrampeln‘, ,Aus dem Rahmen fallen‘, ,Unter die Räder kommen‘) und lenkt durch die etablierten Wertungen, die diese Ausdrücke im Alltagsverständnis haben, die Lesart dieses sprachlichen Bildes des Fahrradfahrens. „Abstrampeln“ beschreibt eine fortwährende, aber tendenziell sinnlose Anstrengung; „Aus dem Rahmen fallen“ vermittelt das Gefühl, von der Norm und der Mehrheit abzuweichen; „Unter die Räder kommen“ legt gar nahe, aufgrund von äußeren Umständen zu scheitern. So wird ein als krisenhaft und erschöpfend wahrgenommener Alltag gezeichnet, in dem das lyrische Subjekt um Orientierung und Halt bemüht ist.

Die Form des Gedichtes unterstützt die durch die inhaltlichen Bilder nahegelegte Aussage. Die vielen Verssprünge halten den Sprachfluss auf, zwingen zu Pausen und machen so das Lesen des Gedichtes selbst zu einer Art sprachlichem Balanceakt: Alle Satzteile, alle Worte werden zu gleichwertigen Elementen, die betont werden und auf die Konzentration gelegt werden muss, sodass ein tastender Eindruck entsteht, der die Bewegung des im Gedicht angesprochenen Du nachvollzieht.

Das Gedicht ist damit einerseits ein Beispiel für den Einzug der Darstellung subjektiver Krisenwahrnehmungen ab Ende der 1980er Jahre in den Texten Zirkel Schreibender Arbeiter. Andererseits zeigt es, wie in dieser Zeit in vielen Gedichten formal mehr experimentiert wird und die Form konsequenter an den Inhalt angepasst wird.

Weitere Ausstellungskategorien

Schwellen & Grenzen Träume & Albträume

Quellenkritik

Das Gedicht gibt ein subjektives Zeugnis über die Erfahrung, (Selbst-)Wahrnehmung und Verarbeitung von Umbruchserfahrung. Bei literarischen Quellen ist ganz besonders darauf zu achten, wie sie gestaltet ist, und darauf, was die Darstellung für eine Wirkung und Aussagekraft hat – wie sie etwa Emotion des Lesers bzw. des Hörers steuert. In den Blick genommen werden sollten etwa die äußere Form, die Gestaltung von Bildlichkeit und die Gestaltung der Sprecherinstanz (dem lyrischen Subjekt) im Text.