Lydia Rabe [L.R.]: „2002 war ich in einer Zeitarbeitsfirma, und zwar haben- in der Autoindustrie. Für BMW an so einem- an einem Band. Also, dort wurden Autotüren für, für BMW- oder für andere Autos auch, aber ich, ich war an der Linie BMW. Und da wurden die Autotür vom Rohling, also dieses Innenleben vom Auto, nicht das außen das Blech, sondern das Innere, gepresst. Und dann kam das Leder drauf, diese Kartentaschen rein, diese Griffe, dies, ja? Und an dieser Linie war ich. Und über die Zeitarbeitsfirma eingesetzt. Und das war richtig-, /das war richtig …“
Patrice Poutrus [P.P.]: „Ja, ja.“
L.R.: „Akkordarbeit.“
P.P.: „Ja, ja.“
L.R.: „Also, als Ungelernter. Und du wusstest, die Festangestellten, die kriegen- ich glaube, wir haben nicht mal die Hälfte von dem Festan-; wir mussten dieselbe Leistung bringen, weil die haben ja Leistungszuschläge gekriegt, und wir nicht als Zeitarbeiter. Du- aber weil wir ja in dieser Linie waren, mussten wir ja, damit die ihren Leistungslohn kriegen, genauso schnell und genauso das machen wie die! Und da habe ich immer gedacht: ,Ey, du bist-‚ Und dann, dann- und dann habe ich immer so nachgedacht: ,Du, du-‚ Ich wollte immer diese DDR-Zeit wiederhaben. Ich dachte: ,Du wirst- du bist ein richtiger Sklave.‘ Ich habe mich echt so gefühlt. Jedenfalls, irgendwann hast du dich da auch eingearbeitet, aber immer für diesen geringen Lohn. Du hast nie irgendwie einen Zuschlag gekriegt, du hast wirklich immer diesen geringen Lohn, ich glaube, das waren 6 Euro oder so. Oder war das, war das, wann kam die, die, ja, egal, irgendwas mit…“
P.P.: /„2003, aber“
L.R.: „Jaja, die, die Währungsunion war 2000.“
P.P.: „Drei, glaube ich.“
L.R.: „Drei, gell? Das war noch davor. Auf jeden Fall war es ganz wenig Geld. Und musstest trotzdem diese Leistung bringen. Naja, und dann wurde ich von der (schmunzelt) das war dann vor Weihnachten, das vergesse ich nicht. Da haben sie, bei uns ist eine Bäckerei im, in einem, auch in so einer kleinen Stadt. Du müsstest jetzt in dieser Bäckerei arbeiten. Und, naja, ich war ja auch noch nie in einer Bäckerei, gell? Und das war ja auch Akkordarbeit an so einem Band. An, auf, die verschiedensten Arbeiten. Jeden Tag irgendwas anderes, wo du auch immer gleich diese Leistung bringen musstest wie die, die immer da arbeiten, gell? Und die, das konntest du gar nicht. Das ist ja unmöglich, gell? Wenn jemand zehn Jahre das macht und du kommst den ersten Tag und, auf jeden Fall, du hast dich da auch reingearbeitet, das ging so ein paar Wochen. Und dann habe ich aber gemerkt, also das, die, du bleibst doch nicht in dieser Bäckerei. Das ist, das ist keine Arbeit für dich. Also, da war, du wurdest nur an, du wurdest angebrüllt von den Vorarbeitern, wenn irgendwas, ich war mal an so einer Verpackungsmaschine, und, und das Band lief so schnell, dass diese Verpackungsmaschine das nicht geschafft hat. Und da sind immer die Torten davor runtergefallen. Und da habe ich die aufgehoben und in den Container geschmissen, die runtergefallen waren. Auf einmal brüllt mich von hinten: ,Du spinnst wohl! Die Torten sind eingefroren, siehst du was da dran? Du kannst nicht die Torten wegschmeißen!‘ Da musste ich die ganzen Torten, die unten lagen, wieder aufs Band. Und dann bin ich auch mal nicht hinterhergekommen, da musste ich Bleche auflegen und die Bleche flogen immer runter. Weil das durch so eine Maschine nicht ging. Auf einmal kommt mir, ich musste den Kopf einziehen, ein Blech entgegengeflogen. ,Du bist wohl zu blöd zum Arbeiten!‘ Ich sage: ,Hier stimmt aber was an-‘ ,Ja, da stimmt, bei dir stimmt irgendwas nicht!‘ Na, jedenfalls musste ich dann Strafarbeit machen, weil ich das nicht geschafft habe, und musste in so eine Kesselwaschküche. Und von dort aus konnte ich genau den Arbeitsplatz sehen. Da wurde ein Festangestellter hingestellt. Und dem ging es genauso. Dem sind die Bleche runterge-, bis, die Maschine war kaputt. Da kam keiner und hat sich entschuldigt oder irgendwas. Da bin ich zu meiner Zeitarbeitsfirma und habe gesagt: ,Ich gehe da nicht mehr hin, in diese Bäckerei.‘ Und da haben die gesagt: ,Natürlich gehen Sie dahin.‘ Ich habe und da habe ich das denen gesagt. ,Ach, was Sie nur haben!‘ Ich habe gesagt: ,Ich gehe nicht mehr in diese Bäckerei. Ich möchte wieder zurück in die Autoindustrie an diesen Arbeitsplatz.‘ Das war ja dann immer noch besser (lacht) wie, wie dort. Und, ‘ne, dann kriegen Sie eine fristlose Kündigung.‘ Und dann dachte ich: ,Das kannst du, das glaubst du doch nicht. Nur weil du irgendwie, was hast du verbrochen, du hast nichts gemacht. Kriegst sch-‘, habe ich wieder eine fristlose Kündigung gekriegt. Das war schon die zweite in meinem Leben. Und da habe ich so gedacht: ,Das lässt du dir jetzt nicht bieten.‘ Und da sagte nur mal nebenbei jemand: ,Sag mal, ihr Leiharbeiter, habt ihr überhaupt einen Gesundheitspass?‘ Ich so: ,Ich habe keinen Gesundheitspass.‘ ,Das ist aber komisch, den brauchen wir da.‘ ,Ach‘, dachte ich, ,jetzt fragst du mal auf dem Gesundheitsamt nach.‘ Da habe ich auf dem Gesundheitsamt nachgefragt: ,Wie ist denn das eigentlich. Wenn ich in einer Bäckerei arbeite. Mal so. Muss ich da einen Gesundheitspass haben?‘ ,Natürlich brauchen Sie da einen Gesundheitspass!‘ Ich sage: ,Auch wenn man mal nur ein paar Tage-‘ ,Das ist- auch wenn Sie ein Auto fahren mal paar Tage, brauchen Sie eine Fahrerlaubnis.‘ Da sage ich: ,Es gibt da-‚ Ah, da habe ich erstmal nichts weitergesagt. Habe ich dort bei meiner Zeitarbeitsfirma angerufen. Dachte ich: ,Jetzt sitzt du am längeren Hebel.‘ Und da habe ich gesagt: ,Ich habe keinen Gesundheitspass und arbeite in einer Bäckerei. Und ich melde das dem Gesundheitsamt. Oder ich kriege jetzt eine fristgerechte Kündigung.‘ Und da habe ich binnen fünf Minuten eine fristgerechte Kündigung gekriegt. Und da war ich erstmal wieder bisschen, dass du doch auch was erreichen, also, dass du dir nicht alles gefallen lassen musst. Gell? War ich halt wieder arbeitslos. (Lacht) Und dann kam das vom Arbeitsamt: ,Sie können eine Umschulung als Landschaftsgärtner machen.‘“