Anekdote „Beruf: Lehrer“

Bildung

Exponatentyp
Erinnerungstext
Datum
07.10.2024
Dauer
00:41 min

Anekdote „Beruf: Lehrer“

Bildung

„Beruf: Lehrer“ stammt aus einer Sammlung von 40 prägnanten Anekdoten. Sie thematisieren (berufs-)biografische Erlebnisse ehemaliger DDR-Heimatkundelehrkräfte.

Anekdote „Beruf: Lehrer“

Erinnerte Erfahrungen ehemaliger Heimatkundelehrer:innen der DDR an die Transformationszeit – Anekdote „Beruf: Lehrer“

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Allgemeine Informationen

Titel: Erinnerte Erfahrungen ehemaliger Heimatkundelehrerinnen der DDR an die Transformationszeit – Anekdote „Beruf: Lehrer“

Medienart: Erinnerungtext, Dokument

Autorinnen: Sandra Tänzer, Isabelle Lamperti, Isabell Tucholka

Jahr: 2024

Gesamtlänge: 1 Seite

Besitzende Institution: Universität Erfurt

Empfohlene Zitierweise: Sandra Tänzer, Isabelle Lamperti, Isabell Tucholka: Erinnerte Erfahrungen ehemaliger Heimatkundelehrerinnen der DDR an die Transformationszeit – Anekdote „Beruf: Lehrer“. Erfurt 2024. Abgerufen unter: https://dut-ausstellung.de/source/anekdote-beruf-lehrer/.

Quelle in der digitalen Sammlung der Thulb

Transkript

BERUF: LEHRER

„Also, diese Achtung vor dem Lehrerberuf ging nach der Wende erstmal unwahrscheinlich den Bach runter.“ In der DDR war man als Lehrer jemand, betont sie. Für die Kinder, für die Eltern. Der Beruf war respektiert. Sie denkt zurück an die Hausbesuche, die sie damals bei ihren Schulanfängern gemacht hatte, bei jedem Kind. So hatte sie einen Eindruck davon erhalten, wie die Familienverhältnisse waren. Ein Junge war damals sehr verstört gewesen. Nach dem Hausbesuch konnte sie das einordnen. Nun kamen stattdessen die Eltern zur Sprechstunde in die Schule. Und es war nicht nur das. Früher hatten die Eltern sozusagen gekuscht, erzählt sie. „Heute ist das andersrum.“ Die Rolle des Lehrers hat sich total verändert. „Für manche sind wir doch …“ Sie bricht ab, lässt den Satz in der Luft hängen. Eine Kollegin beendet ihn: „Null.“

Interpretationsvorschläge

Die enge Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule galt während der DDR programmatisch als unabdingbar für die erfolgreiche Erziehung der Schüler:innen. Dies wird etwa in einem Grundlagenwerk mit dem Titel Pädagogik beschrieben. Das Kennenlernen der Familienverhältnisse und die vertrauensvolle Beratung und Abstimmung über Fragen der Erziehung galten als bedeutsam, damit Lehrkräfte Kinder verstehen und entsprechend fördern können. Aus schulrechtlicher Sicht untermauerte das „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ aus dem Jahr 1965 im § 25 (5) diesen pädagogischen Grundsatz. Die Anekdote „Beruf: Lehrer“ richtet den Fokus auf die Schulpraxis. Sie beschreibt in kurzer Form, wie sich die Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften und Eltern verändert hat. Am Beispiel dieses Wandels zeigt sie, dass Lehrer:innen heute oft weniger Autorität haben – sowohl in der Schule als auch in der Gesellschaft. Dadurch fühlen sich Lehrkräfte in ihrem Beruf manchmal weniger wertgeschätzt und persönlich abgewertet. Der politisch-gesellschaftliche Systemwechsel in der DDR nach 1989/90 geht aus schulischer Perspektive, so die erzählten Erinnerungen der Zeitzeug:innen, mit einer Infragestellung der Lehrer:innenautorität einher, die bis in die Gegenwart reicht. Heutige Lehrkräfte reagieren häufig leidenschaftlich und expressiv auf die Anekdote „Beruf: Lehrer“. Viele teilen die Wahrnehmung des Autoritätsverlusts gegenüber Eltern – beispielsweise, wenn es um Fragen der Leistungsbeurteilung und -bewertung der Schüler:innen oder Übergangsempfehlungen von der Grundschule auf die weiterführende Schule geht. Sie berichten von eigenen Erfahrungen, in denen Eltern ihre fachliche Expertise in Frage stellten oder mangelnder Respekt die Kommunikation mit Eltern oder Schüler:innen bestimmte. Zugleich löst die Anekdote kontroverse Diskussionen aus. Diskussionen über die Sinnhaftigkeit von Hausbesuchen und das grundlegende pädagogische Spannungsverhältnis zwischen Nähe und Distanz in der Beziehung von Lehrer:innen und Schüler:innen. Oder auch Diskussionen über die Frage, worauf die Lehrer:innenautorität beruht. Ist sie von Amts wegen gegeben? Wie kann man sie sich erarbeiten? Ist es in einer Demokratie überhaupt passend, in einer Schule von einer Lehrer:innenautorität zu sprechen?

Weitere Ausstellungskategorien

Schwellen & Grenzen

Quellenkritik

Diese Anekdoten entstanden aus Gruppendiskussionen über den gesellschaftlichen Umbruch und die Veränderungen im Bildungssystem. Sie gewähren einen tiefen Einblick in die Herausforderungen, denen Lehrer:innen während und nach 1989 begegneten.

Die Leser:innen können über die Anekdoten in die beschriebene Situation eintauchen und ihre eigene Reflexion darüber entwickeln. „Beruf: Lehrer“ behandelt die Infragestellung der beruflichen Identität nach 1989 und das Gefühl der Abwertung.

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Bildbeschreibung

Eine Metallplastik am Eingang der Universität Erfurt, die aus mehreren menschlichen Figuren besteht: Sechs stehende Figuren halten Bücher in den Händen bzw. unter ihren Armen, eine stehende Figur hat eine Taube auf der Hand und eine Figur sitzt lesend in der Mitte des Bildes.