Auf Durchreise

Schwellen & Grenzen

Exponatentyp
Foto
Datum
1984

Auf Durchreise

Schwellen & Grenzen

Wolf Lützen und Hans Pieler befahren im Oktober 1984 die Transitstrecke zwischen Hamburg und Berlin mit einem VW-Bus, bei dem sie den konvexen Außenspiegel durch einen ungekrümmten Spiegel austauschen, um während der Fahrt unauffällig verwertbares Fotomaterial herstellen zu können. Inspiriert von Pielers Reisen durch die USA und deren fotografischer Dokumentation sowie vom Fotografen aus Michelangelo Antonionis Film „Blow up“ entsteht die Idee, das Reisen unter den stark reglementierten Bedingungen des Transitverkehrs durch die DDR ebenfalls fotografisch zu begleiten.

Vor dem Fall der Mauer werden die Bilder nicht veröffentlicht, da im Falle einer Veröffentlichung die Wiedereinreise in die DDR problematisch wäre. Die Serie wird 2014 unter dem Titel „Transit“ im Kehrer Verlag publiziert.

Wolf Lützen/Hans Pieler, aus der Serie „Transit“, 1984, Bild 1

Wolf Lützen/Hans Pieler, aus der Serie „Transit“, 1984, Bild 2

Wolf Lützen/Hans Pieler, aus der Serie „Transit“, 1984, Bild 3

Wolf Lützen/Hans Pieler, aus der Serie „Transit“, 1984, Bild 4

Allgemeine Informationen

Titel: Transit

Medienart: Fotoserie

Fotografen: Wolf Lützen, Hans Pieler

Jahr: 1984

Umfang: 61 Duplexabbildungen

Besitzende Einrichtung: Wolf Lützen, Hans Pieler

Empfohlene Zitierweise: Wolf Lützen, Hans Pieler: Serie „Transit“, 1984. Abgerufen unter: https://dut-ausstellung.de/source/auf-durchreise/.

Quelle in der digitalen Sammlung der Thulb

Interpretationsvorschläge

Mit dem deutsch-deutschen Transitabkommen vom Dezember 1971 erfuhr der Reiseverkehr durch die DDR erhebliche Erleichterungen. In der Folge kam es in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre zu diversen Abkommen und Vereinbarungen über den Aus- und Neubau von Straßenverbindungen. Ende 1982 wurde die neue Autobahnstrecke Hamburg – Berlin (West) eröffnet, die von der Bundesrepublik Deutschland finanziert wurde und für deren Bau die DDR im Gegenzug Baumaschinen und Ausrüstung aus der BRD kaufte.

Die Fotoserie „Transit“ von Hans Pieler und Wolf Lützen entstand 1984 vor dem Hintergrund der erleichterten Transitregelungen und -wege. Nichtsdestotrotz war der Kontakt mit der Bevölkerung der DDR nicht erwünscht, die Transitwege eindeutig begrenzt. Das Einhalten der Regeln wurde strikt überwacht, Zuwiderhandlung sanktioniert. Denn die Transitstrecken der DDR boten – unter hohen Risiken – Möglichkeiten einer Flucht aus der DDR und wurden dafür auch genutzt.

Hans Pieler und Wolf Lützen trafen für ihre Reise erhebliche Sicherheitsvorkehrungen und versuchten, sich während der Fahrt möglichst unauffällig zu verhalten. Dennoch konnte Wolf Lützen bei Einsicht in seine Stasi-Akte nach dem Ende der DDR feststellen, dass ihr Agieren nicht unbemerkt geblieben war. Warum dies keine Konsequenzen nach sich zog, bleibt eine offene Frage.

Quellenkritik

In seiner Rede zur Veröffentlichung von „Transit“ 2014 bemerkte Wolf Lützen: „Die Transitfotos haben ein Problem für die Wahrnehmung der Nachgeborenen. Man sieht ja die Grenze neben der Transitstrecke nicht, die den Durchreisenden gezogen war. Man erschließt sie nur indirekt, wenn einem klar wird, es gibt nur Blicke vom Band der Autobahn in die Umgebung hinein, nicht jedoch umgekehrt aus der Weite der Landschaft auf die Transitstrecke.“

Diese beschriebene Blindstelle thematisierte beispielsweise auch die Fotografin Barbara Wolff in ihrer erstmals 2009 in München gezeigten Installation „Transit“. Barbara Wolff wuchs in Kyritz an der Transitstraße F5 auf, die vor dem Bau der Transitautobahn nach Hamburg den Verkehr durch die DDR leitete. Der Kontakt zwischen Reisenden und Bevölkerung ließ sich dabei kaum vermeiden. In ihren Arbeiten thematisiert Barbara Wolff u.a. ihr Lebensumfeld in der DDR. 1985 siedelte sie von der DDR nach München über.

Bildbeschreibung

Bild 1:
Das Bild in schwarz-weiß zeigt einen leeren Stuhl an einem Tisch. Der Tisch steht vor dem Fenster einer Autobahnraststätte. Durch das Fenster sieht man im Hintergrund den Parkplatz der Raststätte mit parkenden Autos und einigen laufenden und stehenden Menschen. Rechts und links wird das Motiv von den zusammen gebundenen Vorhängen des Fensters begrenzt.

Bild 2:

Das Bild in schwarz-weiß zeigt den leicht schrägen Blick auf zwei Fahrstreifen einer leeren Autobahn. Es ist vom Innenraum eines Fahrzeugs aufgenommen. Man erkennt das Armaturenbrett und die Scheibenwischer. Die Seiten der Autobahn sind von einem jeweils noch unbegrünten Erdwall begrenzt. Die Straße führt bergan. Am Horizont ist eine geschlossene Reihe Bäume zu erkennen. Im linken oberen Bildbereich erscheint der Rückspiegel mit dem Bild der Autobahn.

Bild 3:

Das Bild in schwarz-weiß zeigt eine seitliche Aufnahme von beiden Fahrtrichtungen einer zweispurigen Autobahn. Die beiden Fahrspuren im Vordergrund sind leer; auf den beiden Fahrspuren im Hintergrund ist etwa in der Mitte des Bildes ein Trabant zu erkennen. Am Horizont sind ein Feld und Baumreihen zu sehen. Über den Himmel, der etwas weniger als die Hälfte der Bildfläche einnimmt, ziehen Schleierwolken.

Bild 4:

Das Bild in schwarz-weiß zeigt den Blick auf einen innerdeutschen Grenzübergang der Autobahn, aufgenommen aus einem Fahrzeug von einer höher gelegenen Straße oder einer Brücke. Die Anlagen des Grenzübergangs nehmen die komplette hintere Bildebene ein. Im Vordergrund zeigt sich in der Mitte des Bildes der Seitenspiegel eines Fahrzeuges. In diesem spiegeln sich der Teil eines Autos sowie die Brücke mit dahinter liegender Landschaft. Nach oben läuft das Bildmotiv mit einem gleichmäßig bewölkten Himmel aus.