KW „Biene“ – Geheimtreffen und Gesellschaftsberichte der Stasi

Gewalträume/Schutzräume

Exponatentyp
Dokument/Akte
Datum
1971-1986
Dauer
13:12 min

KW „Biene“ – Geheimtreffen und Gesellschaftsberichte der Stasi

Gewalträume/Schutzräume

Die Akte dokumentiert die Nutzung der Konspirativen Wohnung (KW) „Biene“ in Erfurt durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zwischen 1971 bis 1987. Sie enthält Berichte über die Anwerbung von Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) und geheimdienstliche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Wohnung. Auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Beobachtungen sowie kirchliche Aktivitäten und die Beendigung der Zusammenarbeit sind dokumentiert. Besonders bemerkenswert sind die enthaltenen Stimmungsberichte. Sie geben einen eindrucksvollen Einblick in die wirtschaftlichen Engpässe und sozialen Spannungen in der DDR. Die Quelle zeigt, wie das MfS urbane Räume strategisch für seine Operationen nutzte.

Zoom

KW „Biene“, Deckblatt

Zurück

Reg.-Nr. Erfurt/IX 156/71
IMK Biene

Der Bundesbeauftragte für die
Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes
Außenstelle Erfurt
fol. 1.- 4 Blatt 488 Blatt

Erfurt
Beginn 13.4.71
Beendet 3.Nov 1987
Archiv-Nr. AIM 1909/87
Band-Nr. I
Nicht gesperrte Ablage

Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 180

Zurück

IX 456/71

IMK (KW)                                      " B i e n e "

Die KW "Biene" wurde im Jahre 1971 durch Gen. Thoma geworben.
Auf Grund eines längeren Schulbesuches wurde die KW im Dezember 1972 an unterz. MA übergeben.

Bei dem zur Treffdurchführung genutzten Zimmer handelt es sich um einen außerhalb der Wohnung der KW-Inhaberin gelegenen Raum.
Dieses Zimmer gehört dem Sohn der IMK (mitverpflichtet).

Aufgrund familiärer Veränderungen des Sohnes (heiratet Weihnachten diesen Jahres) ergibt sich die Notwendigkeit, dessen zukünftige Ehefrau aus Gründen der Konspiration mit zu verpflichten.

Das junge Ehepaar wird in Zukunft sich in der Wohnung der IMK aufhalten, so daß eine konspirative Treffdurchführung in dem seperaten Zimmer nicht gefährdet wird.
Im August 1975 zieht der Sohn der IMK mit seiner Ehefrau nach Leipzig.
Auf Grund dieser Tatsache wird zu dem Zeitpunkt das bisher genutzte Zimmer frei. Hier besteht die Möglichkeit eines legendierten Untermieterverhältnisses einzugehen. (Einverständnis bzw. Vorschlag wurde durch die IMK bereits gegeben).

Ebenfalls im Jahre 1975 zieht die derzeit noch in der gemeinsamen Wohnung der IMK "Biene" wohnende Schwester aus Erfurt weg. Da es sich um eine große 3-Raum-Wohnung handelt, die dann nur eine Person benutzt, kann ein Zimmer von einem anderen Genossen des Ref. zur Treffdurchführung genutzt werden (legendiertes Untermietsverhältnis).

Hinsichtlich der Einhaltung der Konspiration kann eingeschätzt werden, daß die KW-Inhaberin alles unternimmt, um Dekonspiration zu vermeiden. Negative Feststellungen konnten diesbezüglich noch nicht getroffen werden.

Bei der Inhaberin der IMK handelt es sich um eine äußerst zuverlässige Genossin (Direktorin einer Oberschule), die stets und ständig bemüht ist, unser Organ derzeitig und perspektivisch zu unterstützen.

In der KW wurden im vergangenen Jahr folgende inoffizielle Kräfte getroffen:

GMS "Gaby" - GMS "Musiker" - IM-Vorlauf "Herta"

Die KW ist damit zur Zeit ausgelastet; die Konspiration ist gewährleistet.
Auf Grund des oben dargelegten Sachverhaltes hat die IMK auch im Jahre 1975 operative Perspektive und kann entsprechend der Aufgabenstellung genutzt werden.

Smolinski/Ulm.

Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 209

Zurück

Abteilung II/1                                                     Erfurt, den 11.11.1982
Ltn. Schimmelpfennig

Aktenvermerk - IX 156/71 - IMK/KW " Biene "

Die IMK/KW " Biene " ist mit einem Untermietverhältnis abgedeckt. Bei dem Untermieter wurden die Deckpersonalien des Genossen Reinhard, Herbert

R i e d e l ,Herbert
300749 4 171 13 in Weimar
HW: Nordhausen, Wolfsstraße 07
NW: Erfurt, Klement-Gottwald-Straße [geschwärzt] seit 28.07.1975
Werkzeugmacher
Ing. für Feinmechanik
VEB Büromaschinenwerk Erfurt " Optima "

verwandt. Die offizielle Anmeldung im Hausbuch besteht ebenfalls.
Mit diesem Untermietverhältnis ist die Wohnung vollständig belegt, so daß keinerlei Ansprüche gestellt werden können.
Die Legende ( Untermieter ) steht!

[Unterschrift]
Schimmelpfennig
Leutnant

Kenntnis genommen:

Küntzel
Hauptmann

- Untermietverhältnis muß auf „Doppelgängerbasis“ abgedeckt werden. [Unterschrift]

Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 241

Zurück

A/Gruppe

Abteilung II/1                                                     Erfurt, den 02.09.1977
Ltn. Reinhard

I n f o r m a t i o n

Betr.:                     Kaffeeversorgung der Bevölkerung
(angefertigt nach mündlichen Angaben der IMK (KW) "Biene")


Im Kollektiv der Lehrerweiterbildung Erfurt-Nord ist man der Ansicht, daß die Beschränkung der Kaffeesorten auf Grund der Weltmarktlage durchaus berechtigt ist.
Allerdings müsste dann auch gewährleistet werden, daß die Versorgung mit den entsprechenden Kaffeesorten in entsprechender Menge zur Verfügung steht und nicht wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wo es fast ausschließlich nur den teuersten Kaffee zu 10,- M zu kaufen gibt. Für Rentner mit Mindestrente müßte eine Möglichkeit gefunden werden, weiterhin billigen Kaffee zu erstehen, da es für diesen Personenkreis auf alle Fälle eine finanzielle Belastung darstellt.

Einhellig wurde die Ansicht vertreten, daß es bei der Kaffeesorte "Misch-Mix" Schade um den darin enthaltenen Bohnenkaffee ist, da die Geschmacksqualitäten für diesen Preis auf keinen Fall befriedigen können.

[Unterschrift]
Reinhard
Leutnant

Maßnahmen:
Auswertung durch A-Gruppe

Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 242

Zurück

A/Gruppe

Abteilung II/1                                                     Erfurt, den 12.04.1979
Oltn. Reinhard

I n f o r m a t i o n

Betr.:                   Stimmungen/Meinungen zum Umtausch von Westwährungen in Gutscheine zum Einkauf in den Intershops
(angefertigt nach mündlichen Angaben der IMK "Biene")


Auf einer Parteiversammlung des Weiterbildungskabinettes Erfurt-Nord am 12.04.1979 nahm die Diskussion über die Maßnahme zum Umtausch von Westwährung in Gutscheine einen breiten Raum ein. Der Schritt wurde einstimmig begrüßt, da es dadurch möglich sein wird, bestimmte Manipulationen mit westlichen Währungen einzuschränken.
Unklarheit herrschte über die eventuelle Durchführung von Kontrollen beim Umtausch auf der Bank. Da nach den bisherigen Aussagen keine Kontrollen durchgeführt werden zur Person des Umtauschers, wird es zum Beispiel möglich sein, daß Handwerker weiterhin für Dienstleistungen uneingeschränkt mit Westgeld bezahlt werden, da dieser entweder selbst das Geld umtauschen kann oder den Gutschein im Intershop umsetzt. Es wurde die Meinung geäußert, ohne Kontrollmöglichkeiten zu diesem Personenkreis könne das Übel, welches viele Bürger verärgert, nicht beseitigt werden. Es wird dann nach wie vor die Tendenz herrschen - wer Westgeld hat, hat auch Handwerker.

Maßnahmen:
- Auswertung durch A-Gruppe

[Unterschrift]
Reinhard
Leutnant

Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 244

Zurück

Abteilung II/1                                                     Erfurt, den 8. 11. 1979
Oltn. Reinhard

Information
Lehrerin der 43. POS Erfurt mit negativer Grundeinstellung zu unserem Staat und Bildungswesen


Inoffiziell wurde bekannt, daß die Person

[geschwärzt]
Lehrerin POS 43 VSH

sich aktiv an der Kirchenarbeit beteiligt [geschwärzt]. Gegenüber einer

Frau [geschwärzt]

soll sie sich in einem Gespräch ausgesprochen diffamierend über unseren Staat und unser sozialistisches Bildungswesen geäußert haben. Die [geschwärzt] ist Mitglied der CDU und unterstützt ebenfalls die Kirchenarbeit, indem sie Räumlichkeiten ihrer Wohnung für die Zusammenkünfte religiös interessierter Jugendlicher zur Verfügung stellt. Die auffällige Art und Weise der Äußerungen der [geschwärzt] gegen Staat und Bildungswesen veranlaßten die [geschwärzt], sich bei dem

Gen. Dr. [geschwärzt]

vom Kollegium der POS 43 zu beschweren mit der Begründung, daß diese Person mit einer solch negativen Haltung als Lehrerin für die Erziehung der Kinder wohl kaum geeignet sei. Gen. Dr. [geschwärzt] erkundigte sich jedoch nicht nach den getätigten Äußerungen der [geschwärzt].

Zur Person der [geschwärzt] kann angeführt werden, daß diese nervlich überbelastet wirkt und gelegentlich zum Ausdruck bringt, sie sein nervenkrank. Diese Erscheinung tritt besonders bei arbeitsmäßig angespannten Situationen auf. Sie unterhält eine Reihe von Verbindungen in die BRD und verständigt trotz bestehender Vorschriften bei Besuchen von BRD-Personen nicht den Direktor der POS. Innerhalb des Kollegenkreises ist sie eng mit der

[geschwärzt]

Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 245

Zurück

2

liiert. Diese ist Lehrerin für [geschwärzt], ihr Ehemann soll innerhalb der NVA Sonderaufgaben durchführen. Das Verhalten der [geschwärzt] im internen Kreis kann als politisch indifferent eingeschätzt werden.

Zur Arbeit der Kirche wurde von der Quelle angegeben, daß sich diese in der letzten Zeit verstärkt auf die Einflußnahme in Schulen konzentriert. Beispielsweise bemüht sich offensichtlich der Studentenpfarrer

H a u p t

um Schüler der EOS Lessingschule. Weiterhin ist das Bemühen der Kirche bekannt, unter dem Deckmantel charitativer Absichten eine stark religiös gebundene weibliche Person als Wirtschaftsleiterin an der Sonderschule für Körperbehinderte einstellen zu lassen. Dieses Anliegen wurde jedoch von den zuständigen staatlichen Stellen abgelehnt.

Maßnahmen:
- Verständigung Ltr. Abt. II
- Informationen an Abt. XX

Verteiler
1 x Ltr. Abt. II
1x Abt. XX
1 x II/1

II / A = 25 von „Biene“

[Unterschrift]
Reinhard
Oberleutnant

Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 246

Zurück

A/Gruppe

Abteilung II/1                                                     Erfurt, den 08.11.1979
Oltn. Reinhard

I n f o r m a t i o n

Betr.:                      Stimmungen und Meinungen zu angeblichen Preiserhöhungen unter den Mitarbeitern der Abt. Volksbildung des Stadtbezirkes Erfurt-Nord
(angefertigt nach mündlichen Angaben der IMK (KW) "Biene")


Nach Angaben des IM ist unter den Genossen der Abteilung Volksbildung die Meinung vorherrschend, die gegenwärtige Situation in unserem Handel hinsichtlich evtl. Prei[s]anhebungen für bestimmte Erzeugnisse sei unverständlich. Da es gegenwärtig keine offizielle und umfassende Information über Preisveränderungen gibt, bestimmte Erhöhungen schon eingetreten seien (Autoersatzteile), würden sich für Spekulationen und Gerüchte immer wieder Ank[n]üpfungspunkte bieten. Den Genossen sei es kaum noch möglich entsprechende stichhaltige Gegenargumente anzuführen, da teilweise die praktischen Beispiele diese wirkungslos werden lassen. Es wird eingeschätzt, daß durch ein derartiges Vorgehen sich die Bürger mehr den Argumenten des Gegners zuwenden, da vor dem 30. Jahrestag der DDR der allgemeine Tenor war, daß keine wesentlichen Preiserhöhungen stattfinden werden. Durch das Fehlen einer offiziellen Information zeigen sich viele verärgert und das Vertrauen zu unserer Staats- und Parteiführung wird dadurch auf keinen Fall gestärkt.

Auf der Anleitung der Parteisekretäre des Stadtbezirks Erfurt-Nord am 30.10.1979 wurde von den anwesenden Genossen an den Gen. Krug – Sekretär für Agitation und Propaganda – die Frage gerichtet, warum bisher keine öffentliche Bekanntgabe der geplanten Preisanhebungen erfolgt sei. Von dem Gen. K. konnte diese Frage nicht beantwortet werden und er berief sich in seiner Argumentation vorwiegend auf das Telegramm des Gen. Honecker an die 1. Bezirkssekretäre.

Nach Angaben des Schulrates Erfurt-Nord Gen. Weißbrot soll das Schuhkombinat "Paul Schäfer" einen neuen Lagerraum eingerichtet haben, um hier Schuhe der mittleren Preisklasse zunächst einzulagern, damit vorwiegend die teuren Schuhe in das Angebot kommen sollen.

[Unterschrift]
Oberleutnant
Reinhard

Maßnahmen:
- Auswertung A-Gruppe, IS 31

Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 247

Zurück

Abteilung II/1                                                     Erfurt, 12.11.1979
Oltn. Reinhard

I n f o r m a t i o n

Kirchliche Aktivitäten an der EOS Lessingoberschule
(angefertigt nach mündlichen Angaben des IMK "Biene")


Während einer Dienstbesprechung der Abt. Volksbildung des Stadtbezirkes Erfurt-Nord am 9.11.1979 wurden durch die Direktorin der EOS Lessingoberschule, Genn. Reum, Ausführungen über spürbare Aktivitäten der Kirche unter den Schülern dieser Bildungseinrichtung gemacht.
Die Wirksamkeit der Kirche äußerte sich in folgenden Erscheinungen:

  • vorwiegend Schüler der 10. und 11. Klassen tragen verstärkt Kreuze, Jesusbeutel und lassen sich die Haare sehr kurz schneiden;
  • Eine Schülerin der 12. Klasse brachte in einer Selbstdarstellung ihrer Entwicklung zum Ausdruck, daß sie Christ sei, dafür eintritt, die Gewalt unter den Menschen zu unterbinden und Freiheit auf allen Gebieten zu gewährleisten.
    Eine durchgeführte Aussprache erbrachte, daß sich eine Reihe von Schülern der Kirche zugewandt hätten, da sie hier offen ihr[e] Probleme ansprechen können und die Kirchenvertreter Verständnis und Zeit für diese aufbringen würden.
  • Weitere Untersuchungen führten zu der[ ]Feststellung, daß sich vorwiegend Schüler aus Arztfamilien mit gestörten Elternhaus, meist aus mangelnder Zeit für die Kinder und ihre Probleme, der Kirche zuwenden.
    Auffallend ist die Einheitlichkeit der Studienwünsche des betreffenden Schülerkreises, wie Medizin, Psychologie und Kunstwissenschaften;
  • Schüler, die sich der Kirche zugewendet haben, legen ein übermäßig ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden an den Tag und vertreten falsche Auffassungen von Freiheit und Toleranz in der menschlichen Gesellschaft.
  • Es wird sich geweigert, ein neu eingeführtes handgranatenähnliches Wurfgerät mit der Bezeichnung F1 im Sportunterricht zu benutzen. Als Begründung wird angeführt, es handle sich um eine Übung zum Töten von Menschen.
Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 248

Zurück

2

  • Es wurde versucht, kirchlich stark gebundene Schüler in die FDJ-Leitung der Schule als auch der Klassen einzugliedern. Diese Versuche konnten jedoch bislang erkannt und unterbunden werden.
  • Einen starken Einfluss auf die Schüler übt offenbar der Studentenpfarrer Haupt aus.
    Vor allem auf die weiblichen Schüler sind von diesem sehr eingenommen. Es werden bei internen Diskussionen Redewendungen gebraucht wie:

„….Herr Haupt hat gesagt….“ und dessen Auffassungen und Äußerungen scheinba[r] kritiklos übernommen und angewendet.

  • Der Direktor der 42. POS, Gen. Schröter, erklärte in seinem Diskussionsbeitrag, dass an dieser Schule ebenfalls kirchliche Aktivitäten in den oberen Klassen durchgeführt werden. Bisher sind nur unklare Anzeichen vorhanden, konkrete konnten noch nicht angeführt werden.

Maßnahmen:
- Verständigung Leiter Abt. II
- Information an Abt. XX

[Unterschrift]
Reinhard
Oltn.

Verteiler:
1x Leiter Abt. II
1x Abt. XX
1x II/1

Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 254

Zurück

Abteilung II/1                                                     Erfurt, 25. Mai 1980
Oltn. Reinhard

I n f o r m a t i o n
Kirchliche Aktivitäten an Schulen im Stadtbezirk Erfurt Nord


Inoffiziell wurde eingeschätzt, da[ß] sich die Aktivitäten der Kirche weiterhin verstärken und auch sichtbare Auswirkungen zu verzeichnen sind. Einen Schwerpunkt stellen die EOS Lessingschule, die 42. und die 51. POS dar.

So kam es z. B. durch kirchlichen Einfluß zu Austrittserklärungen von FDJ-lern an der 51. POS. Große Aktivitäten entwickelt der Studentenpfarrer  H a u p t  sowie allgemein die Katholische Kirche.

Die Schüler einer 8. Klasse (51. POS?) hatten eine Aussprache mit einem Pfarrer geplant, in einer Unterredung über das Ziel dieser Veranstaltung mit Vertretern der Schulleitung erklärten sie, den Pfarrer von der Richtigkeit der m./l. Weltanschauung überzeugen zu wollen.

Die Person [geschwärzt], Lehrerin [geschwärzt] 43. POS

spricht nach wie vor Einladungen an Schüler aus, sie in ihrer Wohnung aufzusuchen. Es steht außer Zweifel, daß sie die Schüler in kirchlichem Sinne beeinflußt. Über den genauen Charakter dieser Zusammenkünfte gibt es gegenwärtig keine konkreten Kenntnisse. Die Schülerinnen und Schüler äußern sich nicht über die Besuche bei der [geschwärzt], es hat den Anschein, als befürchteten sie Vergeltungsschritte von ihrer Seite bei einer Offenbarung.

Weiterhin wurde bekannt, dass die [geschwärzt] angeblich beabsichtigt, von der 43. an die 45. POS überzuwechseln, da in der Nähe der letztgenannten Schule eine Kirche gebaut werden soll.

Von der Quelle wurde eingeschätzt, daß man sich bei den kirchlichen Aktivitäten zielgerichtet an Kinder von Genossen in gehobenen beruflichen Positionen wendet. Als Beispiel konnte der Sohn des Gen. [geschwärzt] genannt werden, dessen Vater als DR. an der MAE arbeitet.

Unterschrift
Reinhard
Oberleutnant

Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 261

Zurück

Abteilung II/1                                                     Erfurt, 3. 11. 1981
Ltn. Schimmelpfennig

I n f o r m a t i o n

Am 28. 10. 1981 wurde mir durch Genn. S t a h r , Direktorin an der 32. POS Erfurt-Gispersleben folgender Sachverhalt bekannt:

Unmittelbar nach Beendigung der Ferien tauchten an der 32. POS Handzettel auf, deren Inhalt kirchlichen Charakter trug und die sich gegen die Wehrpflicht in ihrer jetzigen bestehenden Form aussprachen. So wurde sinngemäß vermerkt, daß man für die Erhaltung des Friedens in der Welt sei und auch den Friedenkampf unterstützen würde, jedoch eine Änderung des Wehrpflichtgesetzes. Diese Änderung soll beinhalten, daß es in Zukunft möglich sein wird statt des Dienstes mit der Waffe in der Hand in charitativer Hinsicht wirksam zu werden. Die Zettel waren handgeschrieben und wurden angeblich von einer Staatsbürgerkunde-Lehrerin bei einem Schüler der 9. bzw. 10. Klasse festgestellt. Nähere Angaben wurden mir bisher nicht bekannt.

"Biene"

Ref. AI
Auswertung
Staat. IVSH
DE AKV SLK

Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 273

Zurück

Abteilung II/3                                                     Erfurt, 19. 3. 1985
Oltn. Schimmelpfennig

I n f o r m a t i o n

Ergebnis und Tendenzen einer Umfrage unter Schülern an verschiedenen POS im Stadtgebiet Erfurt


Die inoffizielle Quelle"Biene" hatte Anfang diesen Jahres auftragsgemäß – Auftrag hatte sie vom Schulrat des Stadtbezirkes Erfurt-Nord erhalten – eine Umfrage unter Schülern der 8. – 11. Klasse folgender Schulen durchgeführt:

POS 9, 37, 43, 54
EOS "Lessing".

Anonym sollten folgende Fragen angesprochen werden:

- Wie sieht der Einzelne seinen Entwicklungsweg bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt?

- Was erwartet der Einzelne für seine perspektivische Entwicklung?

Im Ergebnis der verschiedensten Stellungnahmen muß angeführt werden, daß die Tendenz vorhanden ist, daß die Schüler während der offiziellen Veranstaltungen die Stellungnahmen von sich geben, wie es der Lehrer gern sieht, damit es im Endeffekt nicht zu ihrem Nachteil gereicht.
Um gute Zensuren zu bekommen bzw. sich eine günstige Ausgangsposition für die weitere Gestaltung des Lebens zu sichern, wird oft so argumentiert, wie der Lehrer es erwartet, obgleich das Ergebnis der anonymen Umfrage doch zu Denken gibt. So kommt es zu pessimistischen Verhaltensweisen bzw. zu Äußerungen, daß eine Verwirklichung ihres Lebens lediglich durch starke Bindung zur Kirche zu erreichen ist. Gerade letztgenannter Fakt ist unter den Schülern verstärkt zu registrieren.

Einige konkrete Angaben:

1. Schüler [geschwärzt] - POS 54

  • in der DDR sind meine persönlichen Freiheiten eingeengt. Vermutlich werde ich später einen Antrag auf Übersiedlung in die BRD stellen.

2. Schüler [geschwärzt] - LOS, Kl. 11c:

  • ich habe zwar gelernt, kann aber nicht sagen, wofür denn eigentlich.
Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 274

Zurück

2

3. Schüler [geschwärzt] - LOS, Kl. 11c

  • christlich gebunden; hat sich lediglich für 18 Monate NVA verpflichtet, obgleich EOS-Schüler mindestens 3 Jahre Dienst verrichten müssen;
  • er sieht seine weitere Entwicklung lediglich in Kirchenkreisen; hier verwirklichen sich seine Vorstellungen von seinem weiteren Leben.

Bei Auswertung des Berichtes ist zu beachten, daß Quellenschutz gewährleistet werden muß. Detaillierte Fragen sind lediglich der inoffiziellen Quelle bekannt.

"Sänger"

Maßnahmen:
- Auswertung durch Abt. XX und KD Erfurt

Verteiler:
1x Abt. XX
1x KD Erfurt

Zoom

KW „Biene“, BStU Blatt 278

Zurück

Nr. 09

II/3                                                     Datum: 20.10.1986

Sichtvermerke 17.12.1986

Bericht

Name: " Biene "
Datum/Zeit: 17.10., 17,00 – 19,00h
Ort: "Biene "
Durchgeführt durch: "Sänger "
Teilnahme: Gen. Schimmelpfennig
Nächster Termin: (nicht angegeben)
Ersatztermin: (nicht angegeben)

Vorbereitung:
Mit der Inhaberin der IM K "Biene " wurde anläßlich des Gründungstages der DDR ein Zusammentreffen durchgeführt. Ihr wurde als Anerkennung ein Sachpräsent im Werte von

50,- M

überreicht.
Das bereits bestehende gute Vertrauensverhältnis konnte weiter ausgebaut werden.
Mit Eintritt in das Rentenalter – 1989 - beabsichtigt "Biene" einen Wohnungswechsel nach Borna zu ihrem Sohn und Familie. Diesbezüglich strebt sie einen Wohnungstausch an. Die Wohnung in Erfurt ist über die KWV vergeben. Während des Zusammentreffens bat sie um Unterstützung bei der Klärung dieser Angelegenheit.

Ergebnis:

Sänger [handschr.]
" Sänger "

Allgemeine Informationen

Titel: AIM 1909/87 – KW Biene – 71-87

Medienart: Akte, Dokumente, Fotografien

Urheber: Ministerium für Staatssicherheit (MfS)

Jahr: 1971–1987

Gesamtumfang: 31 Seiten

Besitzende Einrichtung: Stasi-Unterlagen-Archiv im Bundesarchiv

Empfohlene Zitierweise: Akte zur konspirativen Wohnung „Biene“. Stasi-Unterlagen-Archiv im Bundesarchiv, BArch, MfS, BV Erfurt, AIM 1909/87. Abgerufen unter: https://dut-ausstellung.de/source/kw-biene-geheimtreffen-und-gesellschaftsberichte-der-stasi/.

Quelle in der digitalen Sammlung der Thulb

Vertiefende Einblicke zu konspirativen Wohnungen in der begleitenden Podcast-Serie „Geheimnisvolle Vergangenheit“ in Kooperation mit Radio F.R.E.I.:
https://www.radio-frei.de/index.php?iid=7&ksubmit_show=Artikel&kartikel_id=10526

Transkript

Das Transkript der einzelnen Seiten ist in der Detailansicht der Quelle nachzulesen.

Interpretationsvorschläge

Die hier analysierte Akte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) betrifft eine Konspirative Wohnung (KW) mit dem Decknamen „Biene“, die von 1971 bis 1987 in Erfurt betrieben wurde. Diese Akte ist von besonderem Interesse, da sie weit über die übliche Arbeit von Inoffiziellen Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens (IMK) hinausgeht und einen tiefen Einblick in die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der DDR in den 1970er und 1980er Jahren bietet. Durch die enthaltenen Stimmungsbilder und Berichte erhalten die Leser:innen ein lebendiges Bild des DDR-Alltags und der damaligen Lebensbedingungen.

Zum Hintergrund: Im April 1971 wurden zwei Schwestern, die als Lehrerin und Erzieherin in Erfurt tätig waren, als Inoffizielle Mitarbeiterinnen (IM) für das MfS angeworben. Die Schwestern, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Umsiedler:innen in die DDR gekommen waren, lebten in einer geräumigen Wohnung in einem mehrstöckigen Gebäude. Diese Wohnung war aufgrund ihrer Lage und Beschaffenheit ideal für konspirative Zwecke geeignet. Ein ehemaliges Kinderzimmer, das getrennt vom Hauptwohnbereich lag, wurde als Treffzimmer ausgewählt.

Die Schwestern eigneten sich aufgrund ihrer beruflichen Positionen und ihrer Loyalität zum politischen System der DDR ideal als IMK. Eine war Mitglied der SED und nahm verschiedene leitende Funktionen innerhalb des Bildungssystems wahr. Später wurde sie Direktorin einer Erfurter Schule.

Die KW „Biene“ diente über viele Jahre hinweg als zentraler Treffpunkt für das MfS. Dessen Mitarbeiter:innen besaßen einen eigenen Schlüssel und konnten den separaten Raum jederzeit ohne Absprache für die Treffen nutzen.

Ein entscheidender Aspekt, der in der Akte dokumentiert ist, betrifft die Schwierigkeiten im Umgang mit knappem Wohnraum in der DDR. Mit dem Auszug einer der Schwestern Mitte der 1970er Jahre stellte sich die Frage der weiteren geheimdienstlichen Nutzung. In der DDR waren Personen, die in zu großen Wohnungen lebten, gesetzlich verpflichtet, diese in Untermiete zu geben oder in eine kleinere Wohnung zu wechseln. Um die Wohnung als KW zu erhalten, inszenierte das MfS daher ein Untermietverhältnis. Diese Maßnahme verdeutlicht nicht nur die geheimdienstlichen Herausforderungen, sondern bietet auch einen Einblick in die rigiden Wohnverhältnisse der DDR und die damit verbundenen sozialen Zwänge.

Durch die umfassende Dokumentation der KW „Biene“ wird deutlich, wie tief das MfS in das Alltagsleben der Bürger:innen eingriff und wie es alltägliche Sorgen und Nöte für seine Überwachungs- und Kontrollzwecke nutzte. Die KW „Biene“ war mehr als nur ein Ort für geheime Treffen; sie war ein Fenster in die Gesellschaft der DDR, in der politische Überzeugungen, materielle Mängel und persönliche Beziehungen ständig im Spannungsfeld staatlicher Überwachung standen.

Weitere Ausstellungskategorien

Wohnen

Quellenkritik

Die Quelle dokumentiert die Tätigkeit Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), die unter dem Decknamen „Biene“ eine Konspirative Wohnung (KW) zur Verfügung stellten. Der Zeitraum der Akte reicht von 1971 bis 1987.  Sie enthält neben operativen Bewertungen auch umfangreiche Einschätzungen zur Person, zur Wohnung sowie zur angebundenen Arbeit im kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld.

Die Akte wurde von Mitarbeitern verschiedener MfS-Abteilungen verfasst, insbesondere aus dem Bereich der Bezirksverwaltung Erfurt. Ziel war nicht die öffentliche Dokumentation, sondern die interne Absicherung eines operativen Vorgangs – in diesem Fall die Nutzung und Einschätzung einer Wohnung und ihrer Inhaberin für nachrichtendienstliche Zwecke. Die Sprache ist entsprechend nüchtern, technisch und auf Funktionalität ausgerichtet.

Die Quelle gibt ausschließlich die Sichtweise des MfS wieder. Sie bewertet Verhalten, Kontakte und Lebensumstände der betroffenen Person durch die Brille eines Sicherheitsapparats, der auf Kontrolle und Informationsgewinn ausgerichtet war.

Die Akte ermöglicht Einblicke in die Detailgenauigkeit, mit der das MfS alltägliche Lebensbereiche seiner IM dokumentierte: Mietverträge, Nachbarschaftsverhältnisse, Reinigungspläne oder politische Gespräche wurden systematisch erfasst. Besonders aufschlussreich sind die Berichte zur Stimmung im Wohnumfeld sowie zu kirchlicher Jugendarbeit, zum Intershop-System und zu sozialen Ungleichheiten – etwa beim Zugang zu Handwerkern gegen Westgeld.

Auffällig ist auch die Nutzung eines Untermietverhältnisses zur Tarnung, wodurch sich zeigt, wie stark das MfS auf scheinbar legale Strukturen angewiesen war, um Konspiration aufrechtzuerhalten.

Die Quelle ist einseitig und nicht frei von Vorannahmen. Bewertungen wie „geeignet für konspirative Tätigkeit“ oder Aussagen zur „Verlässlichkeit“ basieren auf internen Kriterien des MfS, nicht auf unabhängigen Prüfungen. Die Aussagen über politische Haltung, Erziehung oder Kontakte sind stets gefiltert durch die Sicherheitsinteressen der Behörde.

Zudem arbeitet die Akte mit ideologisch geprägten Begriffen. So wird kirchliche Jugendarbeit nicht als gesellschaftliches Engagement verstanden, sondern als Risiko oder „feindlich-negativer Einfluss“. Die Dokumente sprechen stets aus der Position der Überwachung und Kontrolle.

Weitere Aktenauszüge zu Konspirativen Wohnungen auf dieser Website: