Vom Verschwinden

Träume & Albträume

Exponatentyp
Foto
Datum
1977-84

Vom Verschwinden

Träume & Albträume

Barbara Berthold studiert zu Beginn der 1970er Jahre an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig Fotografie. Während und nach ihrem Studium setzt sie vor allem ihr soziales Umfeld, Freund:innen und Bekannte ins Bild. Dabei fängt sie den Lebenshunger und den Freiheitsdrang einer Jugend ein, die sich allzu oft in den ideologischen Grenzen der Vorstellung von einer ,sozialistischen Persönlichkeit‘ wiederfindet. Ihre Fotografien bilden einen Gegenpol zu den von staatlicher Seite bevorzugten und zahlreich propagierten Bildern eben solcher Idealvorstellungen.

Die noch von einem tabulosen Freiheitsdrang geprägten Aufnahmen weichen mit zunehmender Desillusionierung und gesellschaftlicher Stagnation solchen Fotografien, wie sie in der Serie „Hinter Glas“ zu sehen sind.

Im Jahr 1984 reist Barbara Berthold nach der arrangierten Hochzeit mit einem Niederländer aus der DDR aus. Als Barbara Metselaar Berthold lebt und arbeitet sie fortan in Westberlin.

Barbara Metselaar Berthold, aus der Serie: „Hinter Glas“, 1977–84, Bild 1.

Barbara Metselaar Berthold, aus der Serie „Hinter Glas“, 1977–84, Bild 2.

Barbara Metselaar Berthold, aus der Serie „Hinter Glas“, 1977–84, Bild 3.

Barbara Metselaar Berthold, aus der Serie „Hinter Glas“, 1977–84, Bild 4.

Barbara Metselaar Berthold, aus der Serie „Hinter Glas“, 1977–84, Bild 5.

Allgemeine Informationen

Titel: Hinter Glas

Medienart: Fotoserie

Fotografin: Barbara Metselaar Berthold

Jahr: 1977-1984

Umfang: 15 Fotografien

Besitzende Einrichtung: Deutsche Fotothek / Barbara Metselaar Berthold

Empfohlene Zitierweise: Barbara Metselaar Berthold: Hinter Glas. DDR 1977-1984. Abgerufen unter: https://dut-ausstellung.de/source/vom-verschwinden/.

Quelle in der digitalen Sammlung der Thulb

Bestand in der Deutschen Fotothek

Interpretationsvorschläge

Blicke durch beschlagene Scheiben, Spiegelungen, Reflexionen, Menschen im Vorbeigehen. Dunkle, dichte Rahmungen und Bilder, in denen sich der Raum aufzulösen scheint. Nichts ist gewiss in den Fotografien der Serie „Hinter Glas“. Die melancholische Stimmung in ihnen ist unmittelbar und lässt keinen Zweifel daran, dass ein Wohlgefühl hier nicht zu finden ist. Sind Menschen im Bild zu sehen, so hat man den Eindruck, sie sind sich selbst abhandengekommen.

Zeitgleich mit einigen Motiven der Serie, die Barbara Metselaar Berthold unter dem Titel „Hinter Glas“ zusammenfasste, entstanden zwischen 1982 und 1984 eindringliche Porträts von Freund:innen und Weggefährt:innen. Ein großer Teil der Aufnahmen stammt aus der Zeit vor der Ausreise der Fotografin. Es waren jene Menschen, die sie zurücklassen würde. Die Melancholie, die sich in den Bildern von „Hinter Glas“ zeigt, erfährt einen Widerhall in den Blicken der Porträtierten. Die Frage „Gehen oder Bleiben?“ trieb viele aus dem Umfeld von Barbara Metselaar Berthold um. Selbst die Fotografien aus ihrem Werk, die ausgelassen feiernde junge Menschen zeigen und Sinnbilder einer nach Freiheit und Selbstbestimmung suchenden Szene sind, entstanden nicht selten auf Abschiedspartys für diejenigen, die gehen wollten und mussten. In diesem Sinne waren sie Vorboten dessen, was Barbara Metselaar Berthold selbst erfahren würde.

Weitere Ausstellungskategorien

Kultur

Quellenkritik

Der Architekturkritiker und Publizist Wolfgang Kil, ein Weggefährte der damaligen Jahre, nennt in Metselaar Bertholds Buch „Albatros“ (2010) die Bilder der Serie „Hinter Glas“ „Collagen aus Wirklichkeitsfetzen“ und erkennt in ihnen den „Verlust des Bodens unter den Füßen“.

Die Bilder der Fotografin von tabulosen Festen und der gemeinschaftlichen Lust an freien Formen des Zusammenlebens, die beispielsweise in der Publikation „Kratzen am Beton“ (2008) zu finden sind, stellen keinen Gegensatz dar zu den später immer düsterer werdenden, distanzierten Blicken in der Serie „Hinter Glas“. Sie tragen den Wandel vom kreativen Eigensinn zur Resignation bereits in sich.

Bildbeschreibung

Bild 1:

Das Bild in schwarz-weiß wurde aus dem Innenraum eines Autos durch ein Seitenfenster aufgenommen. Durch die beschlagene Scheibe der Fahrertür sieht man in der Mitte des Bildes einen bärtigen Mann, der in linker Richtung am Auto vorbei geht. Er trägt eine warme Jacke. Die Bäume im Hintergrund des Bildes sind kahl. Ein weiteres Fahrzeug bewegt sich ebenfalls zur linken Seite an Mann und Auto vorbei. Es ist ein nebliger Tag.

Bild 2:

Ein Kind mit langem Haar und ernstem Blick sitzt in der S-Bahn und schaut direkt in die Kamera. Im linken Bildhintergrund sieht man durch die Scheibe des Zuges über die parallel verlaufenden Schienenstränge ein Gasometer. Hinter dem Kind sitzt eine Frau in entgegengesetzter Richtung. Ihr Kopf ist im Profil zu sehen. Der Zuginnenraum spiegelt sich leicht in der Scheibe. Das Bild ist eine schwarz-weiß–Aufnahme.

Bild 3:

Die Kamera blickt durch ein Fenster von oben auf den Verkehrsweg eines industriellen Geländes. Das Fenster ist durch Sprossen in sechs kleine Felder unterteilt. Der Verkehrsweg wir zu beiden Seiten von zwei hohen Gebäuden begrenzt. Im Hintergrund sind diese Gebäude mit Rohren und einem überdachten Gang verbunden. Auf Augenhöhe des Betrachtenden sind in einigen Metern Abstand Straßenlaternen an der linken Gebäudefassade angebracht. Zwischen den Gebäuden schiebt ein Mann einen Transportwagen.

Bild 4:

Das Bild ist eine schwarz-weiß–Aufnahme. Durch den geöffneten Flügel einer Toreinfahrt blickt die Kamera auf einen Straßenabschnitt. Eine Frau eilt auf dem Gehweg vorbei. Im Hintergrund sieht man auf der rechten Bildseite ein erleuchtetes Lebensmittelgeschäft. Auf der linken Seite befindet sich ein weiteres Geschäft, dessen Tür mit einem Rollladen verschlossen ist. Davor überquert eine zweite Frau mit Tasche die Straße.

Bild 5:

Das Bild in schwarz-weiß wurde aus einer Telefonzelle heraus aufgenommen. Man sieht durch die schmutzige Scheibe sowohl die Silhouette einer Häuserfront als auch deren Reflektion auf der linken Scheibe der Telefonzelle. Im Vordergrund zeigt sich in der rechten Hälfte unscharf der obere Teil des Münzfernsprechers.