KW „Biene“ – Geheimtreffen und Gesellschaftsberichte der Stasi

Gewalträume/Schutzräume

Exponatentyp
Dokument/Akte
Datum
1971-1986
Dauer
13:12 min

KW „Biene“ – Geheimtreffen und Gesellschaftsberichte der Stasi

Gewalträume/Schutzräume

Die Akte dokumentiert die Nutzung der Konspirativen Wohnung (KW) „Biene“ in Erfurt durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zwischen 1971 bis 1987. Sie enthält Berichte über die Anwerbung von Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) und geheimdienstliche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Wohnung. Auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Beobachtungen sowie kirchliche Aktivitäten und die Beendigung der Zusammenarbeit sind dokumentiert. Besonders bemerkenswert sind die enthaltenen Stimmungsberichte. Sie geben einen eindrucksvollen Einblick in die wirtschaftlichen Engpässe und sozialen Spannungen in der DDR. Die Quelle zeigt, wie das MfS urbane Räume strategisch für seine Operationen nutzte.

Geheimtreffen und Gesellschaftsberichte der Stasi

BArch, MfS, BV Erfurt, AIM 1909/87 – KW „Biene“, S. 3

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Allgemeine Informationen

Titel: AIM 1909/87 – KW Biene – 71-87

Medienart: Akte, Dokumente, Fotografien

Urheber: Ministerium für Staatssicherheit (MfS)

Jahr: 1971–1987

Gesamtumfang: 31 Seiten

Besitzende Einrichtung: Stasi-Unterlagen-Archiv im Bundesarchiv

Empfohlene Zitierweise: Akte zur konspirativen Wohnung „Biene“. Stasi-Unterlagen-Archiv im Bundesarchiv, BArch, MfS, BV Erfurt, AIM 1909/87. Abgerufen unter: https://dut-ausstellung.de/source/kw-biene-geheimtreffen-und-gesellschaftsberichte-der-stasi/.

Quelle in der digitalen Sammlung der Thulb

Vertiefende Einblicke zu konspirativen Wohnungen in der begleitenden Podcast-Serie „Geheimnisvolle Vergangenheit“ in Kooperation mit Radio F.R.E.I.:
https://www.radio-frei.de/index.php?iid=7&ksubmit_show=Artikel&kartikel_id=10526

Transkript

Das Transkript der einzelnen Seiten ist in der Detailansicht der Quelle nachzulesen.

Interpretationsvorschläge

Die hier analysierte Akte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) betrifft eine Konspirative Wohnung (KW) mit dem Decknamen „Biene“, die von 1971 bis 1987 in Erfurt betrieben wurde. Diese Akte ist von besonderem Interesse, da sie weit über die übliche Arbeit von Inoffiziellen Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens (IMK) hinausgeht und einen tiefen Einblick in die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der DDR in den 1970er und 1980er Jahren bietet. Durch die enthaltenen Stimmungsbilder und Berichte erhalten die Leser:innen ein lebendiges Bild des DDR-Alltags und der damaligen Lebensbedingungen.

Zum Hintergrund: Im April 1971 wurden zwei Schwestern, die als Lehrerin und Erzieherin in Erfurt tätig waren, als Inoffizielle Mitarbeiterinnen (IM) für das MfS angeworben. Die Schwestern, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Umsiedler:innen in die DDR gekommen waren, lebten in einer geräumigen Wohnung in einem mehrstöckigen Gebäude. Diese Wohnung war aufgrund ihrer Lage und Beschaffenheit ideal für konspirative Zwecke geeignet. Ein ehemaliges Kinderzimmer, das getrennt vom Hauptwohnbereich lag, wurde als Treffzimmer ausgewählt.

Die Schwestern eigneten sich aufgrund ihrer beruflichen Positionen und ihrer Loyalität zum politischen System der DDR ideal als IMK. Eine war Mitglied der SED und nahm verschiedene leitende Funktionen innerhalb des Bildungssystems wahr. Später wurde sie Direktorin einer Erfurter Schule.

Die KW „Biene“ diente über viele Jahre hinweg als zentraler Treffpunkt für das MfS. Dessen Mitarbeiter:innen besaßen einen eigenen Schlüssel und konnten den separaten Raum jederzeit ohne Absprache für die Treffen nutzen.

Ein entscheidender Aspekt, der in der Akte dokumentiert ist, betrifft die Schwierigkeiten im Umgang mit knappem Wohnraum in der DDR. Mit dem Auszug einer der Schwestern Mitte der 1970er Jahre stellte sich die Frage der weiteren geheimdienstlichen Nutzung. In der DDR waren Personen, die in zu großen Wohnungen lebten, gesetzlich verpflichtet, diese in Untermiete zu geben oder in eine kleinere Wohnung zu wechseln. Um die Wohnung als KW zu erhalten, inszenierte das MfS daher ein Untermietverhältnis. Diese Maßnahme verdeutlicht nicht nur die geheimdienstlichen Herausforderungen, sondern bietet auch einen Einblick in die rigiden Wohnverhältnisse der DDR und die damit verbundenen sozialen Zwänge.

Durch die umfassende Dokumentation der KW „Biene“ wird deutlich, wie tief das MfS in das Alltagsleben der Bürger:innen eingriff und wie es alltägliche Sorgen und Nöte für seine Überwachungs- und Kontrollzwecke nutzte. Die KW „Biene“ war mehr als nur ein Ort für geheime Treffen; sie war ein Fenster in die Gesellschaft der DDR, in der politische Überzeugungen, materielle Mängel und persönliche Beziehungen ständig im Spannungsfeld staatlicher Überwachung standen.

Weitere Ausstellungskategorien

Wohnen

Quellenkritik

Die Quelle dokumentiert die Tätigkeit Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), die unter dem Decknamen „Biene“ eine Konspirative Wohnung (KW) zur Verfügung stellten. Der Zeitraum der Akte reicht von 1971 bis 1987.  Sie enthält neben operativen Bewertungen auch umfangreiche Einschätzungen zur Person, zur Wohnung sowie zur angebundenen Arbeit im kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld.

Die Akte wurde von Mitarbeitern verschiedener MfS-Abteilungen verfasst, insbesondere aus dem Bereich der Bezirksverwaltung Erfurt. Ziel war nicht die öffentliche Dokumentation, sondern die interne Absicherung eines operativen Vorgangs – in diesem Fall die Nutzung und Einschätzung einer Wohnung und ihrer Inhaberin für nachrichtendienstliche Zwecke. Die Sprache ist entsprechend nüchtern, technisch und auf Funktionalität ausgerichtet.

Die Quelle gibt ausschließlich die Sichtweise des MfS wieder. Sie bewertet Verhalten, Kontakte und Lebensumstände der betroffenen Person durch die Brille eines Sicherheitsapparats, der auf Kontrolle und Informationsgewinn ausgerichtet war.

Die Akte ermöglicht Einblicke in die Detailgenauigkeit, mit der das MfS alltägliche Lebensbereiche seiner IM dokumentierte: Mietverträge, Nachbarschaftsverhältnisse, Reinigungspläne oder politische Gespräche wurden systematisch erfasst. Besonders aufschlussreich sind die Berichte zur Stimmung im Wohnumfeld sowie zu kirchlicher Jugendarbeit, zum Intershop-System und zu sozialen Ungleichheiten – etwa beim Zugang zu Handwerkern gegen Westgeld.

Auffällig ist auch die Nutzung eines Untermietverhältnisses zur Tarnung, wodurch sich zeigt, wie stark das MfS auf scheinbar legale Strukturen angewiesen war, um Konspiration aufrechtzuerhalten.

Die Quelle ist einseitig und nicht frei von Vorannahmen. Bewertungen wie „geeignet für konspirative Tätigkeit“ oder Aussagen zur „Verlässlichkeit“ basieren auf internen Kriterien des MfS, nicht auf unabhängigen Prüfungen. Die Aussagen über politische Haltung, Erziehung oder Kontakte sind stets gefiltert durch die Sicherheitsinteressen der Behörde.

Zudem arbeitet die Akte mit ideologisch geprägten Begriffen. So wird kirchliche Jugendarbeit nicht als gesellschaftliches Engagement verstanden, sondern als Risiko oder „feindlich-negativer Einfluss“. Die Dokumente sprechen stets aus der Position der Überwachung und Kontrolle.

Weitere Aktenauszüge zu Konspirativen Wohnungen auf dieser Website: